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Meine Meinung Achtung: Spoiler enthalten!

 

Eine etwas unnatürliche Liebesbeziehung zwischen einem 15-jährigen und einer 36-jährigen; ein junger Mann, der unsterblich in Hanna verliebt ist, und eine Frau, die ein schreckliches Geheimnis birgt. Bernhard Schlink’s „Der Vorleser“ zählt zu den größten und wichtigsten Büchern der deutschsprachigen Literatur. Zahlreich gelesen, nominiert, gelobt – und sogar mit Hollywoodschauspielern verfilmt.

  Im Mittelpunkt dieses Buches steht der Schüler Micheal Berg, der durch Zufall die 36-jährige Hanna kennenlernt, die ihm half, als er sich auf Grund Gelbsucht übergeben musste. Seit diesem Moment an empfindet er etwas für sie, lernt sie besser kennen, als er sie besuchen und sich bedanken wollte. Micheal geht mit Hanna eine erotische, sexuelle Beziehung ein und lernt dadurch Gefühle, Zuneigung und Leidenschaft kennen. Er verbringt immer mehr Zeit mit Hanna, beginnt sogar, für sie vorzulesen, was ihr sehr gefällt, denn sie hat keine Möglichkeit, das zu tun. Mit der Zeit aber verändert sich Hanna zunehmend – sie wird geheimnisvoller, verschlossener, ist schlagartig sauer auf ihn, dann wieder entschuldigend, und ehe Michael es übersieht, ist Hanna spurlos verschwunden, denn ihre Vergangenheit droht, sie einzuholen.

  Ein sonderbares Thema wie dieses, Fiktion verknüpft mit realen Ereignissen, war eine sehr gute Kombination, um neben Leidenschaft und Liebe auch Dramatik und Gerechtigkeit miteinfließen zu lassen. Herr Schlink hat mit einer großen, sprachlichen Qualität das schnell vorbeiziehende Leben von Michael und seine Beziehung zu Hanna in kurzen Kapiteln und schnellen Sätzen erzählt. Dabei ist mir nicht weniger aufgefallen, dass Herr Schlink mehr oder weniger durch Michael spricht, dass er vielleicht selbst eine Message zu verlautbaren hat: Diejenigen, die zur Zeit des Nationalsozialismus für das Regime arbeiteten, jedoch ohne antisemitistisches Gedankengut, einfach aus Zwang Befehle ausführten, Menschen getötet, deren Leben genommen haben. Im Fall von „Der Vorleser“ hatte Hanna ebendiese Vergangenheit, die während der kompletten zweiten Hälfte des Romans behandelt wird. Herr Schlink vermittelt uns den Eindruck, dass nicht jeder, der an diesen faschistischen Handlungen beteiligt war, auch wirklich verurteilt werden sollte. Passiv flüstert er uns aber auch ein, dass Massenmorde während den Zeiten des dritten Reichs niemals vergänglich sein werden und dieses Thema immer wichtig sein wird. Hanna wird während den Szenen des Liebesaktes als gefühlvoll aber auch dominant beschrieben, während der Prozesse aber ist sie still und nimmt alle Schuld auf sich. Diesen plötzlichen Umschwung verstehe ich nicht ganz, zumal Hanna doch eine reife Frau ist, die trotz ihrer hässlichen Vergangenheit diese vor Michael gekonnt verbergen konnte. Michael kam mir am Anfang vor wie ein kleines Schoßhündchen; gierig nach Liebe und vernarrt in Hanna. Er kann lange Zeit seine Angebetete nicht loslassen, denkt Jahre nach ihrer Verhaftung, und schließlich nach ihrem Tod noch an sie. Dies zeigt, wie machtvoll und prägend Personen sein können, was mir sehr gefiel.

   Ich persönlich hätte gerne noch mehr von Hanna und Michael vor ihrem Verschwinden gelesen. Die erste Hälfte des Buches war frisch, erotisch, liebevoll, die zweite düster, dramatisch, geheimnisvoll. Interessant finde ich im Übrigen, wie man immer wieder in der Literatur mit der Zeit des dritten Reichs konfrontiert wird. Ein Thema, welches wir nie vergessen werden…

 

Etwas verwirrend war für mich die Zeit, in der die Geschichte spielte, denn es wurde von vornherein nicht gesagt, wann dies genau war. Ich war immer der Meinung, das Buch spiele zur Zeit der Veröffentlichung, d.h. 1995, jedoch war es aber 1958/59, was aber nirgends erwähnt wurde.

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Fazit

 

„Der Vorleser“ ist ein außergewöhnlicher, ruhiger Roman, der trotz seiner Dramatik ab der zweiten Hälfte dennoch sensibel und gewagt über Schuld und Unschuld im Nationalsozialismus erzählt. Sprachlich sehr gut, inhaltlich faszinierend! Ein Klassiker!  

Das Buch

 

Titel: Der Vorleser

Autor: Bernhard Schlink

Verlag: Diogenes

Seitenzahl: 256

Format: Taschenbuch mit Hardcover

ISBN: 978-3-257-26134-9

Preis: 12,00 €

​

von Daniel

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Vielen Dank an Diogenes für das Rezensionsexemplar!

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www.diogenes.ch

Sie finden hier die Analyse zum Buch als pdf-Download!

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